Das Salve Regina ist eine althergebrachte marianische Hymne. Ob Herman von Reichenau (9. Jahrhundert), Adhemar von Monteil, Bischof von Le Puy (11. Jahrhundert) oder Pierre von Monsoro, Bischof von Compostela der Autor ist, bleibt unklar. Die Autorin dieses Artikels geht als Autoren vom sel. Herman Contractus aus, auch Herman von Reichenau genannt, und kommentiert das Salve Reginas.
In diesem Gebet rufen wir Maria an und bitten sie seufzend „trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.“
Sei gegrüßt, o Königin,
Mutter der Barmherzigkeit,
unser Leben, unsre Wonne
und unsere Hoffnung, sei gegrüßt!
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
zu dir seufzen wir
trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.
Wohlan denn, unsre Fürsprecherin,
deine barmherzigen Augen
wende uns zu
und nach diesem Elend zeige uns Jesus,
die gebenedeite Frucht deines Leibes.
O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.
Angst und Leiden – Empfindungen, die Teil vieler Erlebnisse unseres Lebens sind – während wir einen neuen Knoten in der Schnur fühlen, wobei wir gerade daran waren, einen anderen Knoten zu lösen. In diesem scheinbar niemals endenden Geflecht sehnen sich unsere Herzen nach der Erlösung vom Bösen und dem Frieden des himmlischen Königreiches, das wir im Vater Unser erflehen. Wenden wir uns Unserer Lieben Frau, Knotenlöserin zu, und welche Knoten in dieser marianischen Hymne, im Salve Regina, enthalten sind.
Nicht nur eine Metapher…das Tal existiert wirklich…
Der sel. Hermanus Contractus fasste unsere durch Knoten bedingten Leiden und Schmerzen die an uns ohne Unterlass nagen, in einer berühmten Formulierung des Salve Reginas zusammen.
Wir sind von Gott geliebte Kinder Evas, aber wegen unserer Sündhaftigkeit ins Exil geschickt und ins Tal der Tränen verbannt. In unserer Sorge rufen wir Maria an, sich uns in ihrer Barmherzigkeit zuzuwenden.
Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas;
zu dir seufzen wir
trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen.
Was für ein mächtiges Bild, das Tal der Tränen. Die enge Schlucht, entlang der wir wandeln, in der wir uns so klein und hilflos fühlen – zu dir seufzen wir – umgeben von steilen Hügeln, die uns auf allen Seiten einschließen. Für Contractus war das Bild mehr als eine Metapher: Es war ein wirklicher Ort, an dem ihn die Tragödie einer Mutter in Süddeutschland inspiriert hat.
Contractus wurde in Althausen, Deutschland, im Jahr 1013 geboren und war seit Geburt stark verkrüppelt. Trotz seiner schmerzhaften und teilweise lähmenden Behinderungen hatte er einen scharfen Geist und einen lebendigen katholischen Glauben. Im Alter von 20 Jahren trat er in eine Benediktinerkloster ein und wurde 1863 seliggesprochen.
Während er ein Kloster in Buchau besuchte, hörte er die tragische Geschichte Adelindis von Buchau. Ihre Erlebnisse wurden zum Paradigma des Tales der Tränen.
Von Tragödie zur Schande – die bleibende Geschichte einer trauernden Mutter
Adelindis wurde 735 geboren, heiratete und hatte drei Söhne. Eines Tages gingen ihre drei Söhne zusammen auf eine Reise. Während Adelindis ihre Rückkehr erwartete, träumte sie eines Nachts, dass alle drei unterwegs ermordet worden waren. Erfüllt von mütterlicher Besorgnis, verließ sie ihr Haus. Als sie an den Ort kam, den sie im Traum gesehen hatte, fand sie die Leichname ihrer drei Söhne…Adelindis war allein, trauend und weinend im Tal der Tränen…
Adelindis war eine andächtige Frau und ließ dort eine Kapelle bauen. Später wurde dort auch ein Konvent gebaut. Der sel. Contractus besuchte das Nonnenkloster zum Ende seines Lebens, als er schon erblindet war. Die Geschichte von Adelindis bewegte ihn so sehr, dass er ihre Tragödie in diese Hymne einfasste, und den Ort von Adelindis Tränen und unserem Exil denselben Namen gab. Er nannte ihn das Tal der Tränen.
Maria, die neue Eva, hielt in ihren Armen den Leib ihres kostbaren Sohnes am Fuß des Kreuzes, an dem er für unsere Sünden gestorben war. Adelindis, Kind der sündhaften Eva, hielt die Leichname ihrer Söhne am Fuß des Hügels, wo sie durch eine sinnlose, böse Tat gestorben waren. Wir sind berufen, der Heiligkeit Mariens nachzueifern, aber in diesem Leben finden wir uns oft in der Situation Adelindis. Wir wurden aus dem Garten Eden ins Exil geschickt und bewegen uns im Schatten unserer Sünden. Maria, mit ihrem Sohn in ihren Armen, blickt auf uns nieder, mit unendlicher Barmherzigkeit und Liebe. Wir rufen zu ihr:
Wohlan denn, unsre Fürsprecherin,
deine barmherzigen Augen
wende uns zu
Zurück zur Metapher: Welche Bedeutung hat sie für uns?
Wenn wir unsere Mutter darum bitten, einen Knoten in unserem Leben zu lösen, worum bitten wir dann eigentlich?
Wir bitten sie, uns über die nächste Hürde zu helfen, über den nächsten Felsen. Von oben sieht sie, wo wir sind und wohin wir gehen. Sie kann uns nicht selbst dorthin bringen, aber sie kann uns den Weg zeigen, wenn wir sie danach fragen.
Bei jedem gelösten Knoten finden wir einen tiefer sitzenden darunter. Auch wenn wir im Tal der Tränen wandeln, sehen wir immer wieder einen neuen Felsen, den wir erklimmen müssen, oder eine Wurzel, über die wir stolpern. Es ist ermüdend, es ist beschwerlich, aber es ist kein sinnloses Stolpern. Mit jedem überwundenen Hindernis, sind wir ein Stück näher am Ende des Tals, und am Ort, wo das Licht ungehindert in voller Herrlichkeit scheint. Wir sind zu diesem Ziel berufen aber wir brauchen Hilfe, dorthin zu gelangen.
Darum bitten wir unseren Vater um Kraft und Ausdauer und unsere Mutter um Hilfe in den Herausforderungen, die wir Tag ein Tag aus angehen müssen. Und wenn wir am Ende des Weges angelangt sind, dann werden wir vor uns Jesus, die gebenedeite Frucht ihres Mutterleibes sehen, und endlich zu Hause angekommen sein.
und nach diesem Elend zeige uns Jesus,
die gebenedeite Frucht deines Leibes.
Maria, Unsere Mutter und Fürsprecherin, Du bist gütig, mild und süß. Schaue auf uns in diesem Tal, durch das wir wandeln und geleite unsere Füße, dass wir nicht stolpern und fallen, sondern aufstehen und mit Mut in die liebenden Arme Deines Sohnes laufen mögen. Mutter, bitte für uns, dass immer Licht auf unserem Pfad scheinen möge, damit wir niemals die Süße und Freude aus den Augen verlieren, die uns nach den Sorgen und Nöten dieses Tages erwartet.
Von Christen Faith Bentz